AJ Ginnis Interview im SNOW Magazine
Das Team vom tschechischen Wintersportmagazin SNOW hat ein ausführliches Interview mit dem griechischen Shootingstar AJ Ginnis geführt, das wir euch nicht vorenthalten wollen. Er sprach ausführlich über seine Jugend, seine Rückschläge und seine Motivationen. Lasst euch inspirieren von einem wirklich bemerkenswerten Mindset. Fragen von Michaela Kratochvilova, SNOW Magazin Tschechien
Beginnen wir mit deiner Kindheit - wo hast du deine ersten Erfahrungen auf Schnee gemacht? Und wie hat alles angefangen? Du bist in Athen geboren und hast am Meer gelebt, da ist Skifahren nicht das erste, an das man denkt. Welche Tradition hat das Skifahren in deiner Familie?
Ich hatte das große Glück, in eine Ski-Familie hineingeboren zu werden. Nicht in eine Rennfahrer-Familie, aber in eine Ski-Familie. Mein Vater leitete die Skischule auf dem Berg Parnassos und war der Fischer-Vertreter für Griechenland. Skifahren war einfach ein Sport, den meine Familie liebte und mit dem wir in jeden Ferien beschäftigt waren. Aber ja, als ich aufwuchs, war es erstmal nicht mehr, als eine Leidenschaft und ein Hobby.
Wer hat zum ersten Mal gemerkt, dass du ein begnadeter Skifahrer bist? Bist du schon mit dem Gedanken nach Österreich gezogen, dass es dich auf dem Weg zum professionellen Athleten weiterbringen wird?
Als ich 12 Jahre alt war, zog ich für die Winter nach Österreich und musste mich darauf einstellen, eine neue Sprache zu lernen und mit einer neuen Kultur klarzukommen.Das Skifahren war am Anfang nur eine Art Nebenprodukt, um diese neue Kultur kennenzulernen. Und um ehrlich zu sein, waren die ersten anderthalb Jahre Skirennsport in Österreich für mich eine Katastrophe. Man hat sich über mich lustig gemacht, aber für mich war es etwas, das ich wirklich geliebt habe. Und dann, ich glaube, zwei Jahre später, als ich 14 war, begann ich, einige österreichische Cup-Rennen zu gewinnen und das war das erste Mal, dass die Leute sahen, dass ich ein gewisses Potenzial haben könnte.
Viele Jugendliche hören mit dem Skirennsport auf, weil sie mehr Zeit mit ihren Freunden verbringen wollen und ihnen klar wird, dass es beim Sport viel um Disziplin geht. War das jemals ein Thema für dich? Hattest du eine Phase, in der du viel lieber ein Teenager gewesen wärst?
Als ich mit 12 Jahren zum ersten Mal nach Österreich ziehen musste, rebellierte ich definitiv gegen diese Idee. Ich war jung, alle meine Freunde waren in Griechenland, ich wollte unabhängig sein, mit ihnen abhängen, Basketball spielen, Kontakte knüpfen usw. Als ich aus meiner Gruppe herausgenommen und in ein fremdes Land mit einer fremden Sprache und Menschen, die ich nicht kannte, geschickt wurde, habe ich mich natürlich erstmal nicht darüber gefreut. Aber ich habe gelernt, wie ich auch durch das Skifahren Freunde finden kann und wie ich meinen sozialen Kreis auch um den Sport herum aufbauen kann. Es war also definitiv gut. Wenn ich jetzt zurückblicke, bin ich sehr glücklich, dass ich verschiedene Welten von sozialen Kulturen habe, ich habe meine Skifreunde und meine Nicht-Skifreunde. Ich denke, es ist eine schlechte Ausrede, wenn man sagt, dass man sein soziales Leben für den Sport opfert.
Du warst 15, als du wieder umgezogen bist - in die USA. War es einfach oder schwierig für dich, dich in nur wenigen Jahren wieder an eine neue Heimat zu gewöhnen?
Der Umzug in die USA war eine schwere Entscheidung. Ich hatte bereits erwähnt, dass ich Freunde verlassen musste. Nun hatte ich Freunde in Österreich und Freunde in Griechenland, und all das musste ich zurücklassen, um wieder umzuziehen. Diesmal in die USA. Aber auch hier hatte ich das Glück, dass es in diesem Sport einige großartige Menschen gibt, sodass ich mich trotz des Umzugs an einen neuen Ort, in eine neue Sprache und eine neue Kultur gut einfügen konnte.
Viele Skifahrer sprechen über den Unterschied zwischen Skifahren in Europa und Nordamerika. Empfindest du das auch so? Worin besteht für dich der Unterschied?
Ja, es gibt definitiv Unterschiede zwischen dem Skifahren in Europa und in den USA. Ich war in Colorado, wo es extrem hoch gelegen ist und sehr trockener Schnee liegt, während es an der Ostküste sehr viel regnet und sehr eisig ist. Wir sind viel auf Eis und harten Oberflächen gefahren. Und hier in Europa hat man von allem ein bisschen. Die Abwechslung und das Glück, bei all diesen Bedingungen Skifahren zu können, während ich aufwuchs, war also definitiv ein Vorteil für mich.
Du hattest die Möglichkeit, an der NorAm und am Europa Cup teilzunehmen. Welche dieser Erfahrungen hat dir mehr für deine spätere Karriere gebracht?
Ich persönlich bin eine ganze Reihe von Europa Cups und NorAms gefahren. Aber als ich jünger war, hätte ich meiner Meinung nach mehr NorAms als Europa Cups fahren sollen. Als ich anfing, an Weltcups teilzunehmen, lag ich immer im Bereich von Startnummer 50 bis 60, weil ich bereits am Europa Cup teilgenommen hatte und meine Punkte höher waren als sie hätten sein sollen. Es wäre sicher auch gut gewesen, eine ganze NorAm Saison zu fahren und zu lernen, wie man gewinnt und wie man eine Saison mit Konstanz und Geschwindigkeit über die Bühne bringt. Es sind also zwei sehr unterschiedliche Dinge, aber ich denke, wenn man ein Nordamerikaner ist, ist die NorAm definitiv sehr, sehr wichtig, aber auch die Präsenz im Europa Cup, wo nicht nur zwei Länder in jedem Rennen vertreten sind, ist extrem vorteilhaft.
War dein Weltcup-Debut etwas Besonderes für dich? Kannst du dich noch an die spezielle Atmosphäre in Madonna di Campiglio erinnern?
Ja, mein erster Weltcup war wie ein wahr gewordener Traum, und damals, 2014, hatten wir auch den traditionellen Rookie-Haarschnitt des US-Skiteams. Ich bin mein ganzes Leben lang mit sehr langen Haaren aufgewachsen und ich erinnere mich, wie ich sie abschnitt und mir sagte, dass ich sie für meinen allerersten Weltcup abschneide und den Mullet (Vokuhila) bekomme. Die Haare wurden mir von Ted Ligety und den anderen Veteranen des US-Skiteams geschnitten und das war ein großartiger Moment für mich und ein wahrgewordener Traum. Mein erstes Rennen in den großen Slalom-Wochen und dann auch noch in Madonna im Nachtslalom, das war einfach unglaublich.
Wie bist du zu der Entscheidung gekommen, vom US Ski Team zu Griechenland zu wechseln? War es schwierig für dich, plötzlich in einem kleineren Team zu sein, oder ist es ein Vorteil, dass du dir aussuchen kannst, mit wem du zusammenarbeiten willst?
Die Entscheidung fiel im Frühjahr 2020. Ich wurde im Frühjahr 2018 aus dem US-Skiteam gestrichen, riss mir im darauffolgenden Jahr das Kreuzband und den Meniskus und kam 2019/20 zum Skifahren zurück.Ich hatte ein ziemlich gutes Jahr, gewann einige NorAm-Rennen und dann schlug Covid zu. Als ich schließlich das Skiteam fragte, ob ich wieder im Team sein werde, sagten sie mir, sie wüssten es nicht. Zu diesem Zeitpunkt waren aufgrund von Covid die Dinge etwas chaotisch. Aber ich sah die Chance, für Griechenland Ski zu fahren. Im ersten Jahr für Griechenland an den Start zu gehen war definitiv nicht einfach. Wir hatten kein Geld – alles Geld, das ich bekam, wurde im Grunde privat von Sponsoren finanziert und ich hatte keine großen Ergebnisse, um potentere Sponsoren anzuziehen. Wir haben es also mit einem kleinen Budget geschafft, aber wenn ich jetzt, drei Jahre später, zurückblicke, bin ich definitiv in einer besseren Position, als ich es wäre, wenn ich noch im US-Skiteam wäre. Die Finanzierung ist besser, ich kann mir aussuchen, wo, wann und mit wem ich trainieren möchte, wir sind flexibler und es ist einfacher zu reisen. Es hat seine guten und schlechten Seiten, nicht Teil eines großen Verbandes zu sein, denn es gibt einige Dinge, die für mich viel Arbeit bedeuten. Aber letztendlich ist dies meine Leidenschaft, mein Projekt, und ich bin sehr glücklich, dass es so gekommen ist.
In deiner Karriere hattest du leider mit einigen schweren Verletzungen zu kämpfen. Was hat dir die Kraft und Entschlossenheit gegeben, zurückzukommen - und das auch noch stärker als zuvor?
Skifahren ist ein sehr anspruchsvoller Sport und es gibt viele Rennen während der Saison, da kann viel passieren. Vorletztes Jahr habe ich mich von einer Kreuzbandverletzung zurückgekämpft und langsam angefangen. Ich musste wieder in den Rhythmus kommen und hatte einige Rennen. Das Skifahren war gut, aber es lief einfach nicht zusammen. Und dann funktionierte es endlich doch in Chamonix, bei den Weltmeisterschaften in Meribel und dann in Palisades, was ein bisschen unglücklich war, weil ich anscheinend auf der falschen Seite des Tores stand und der Sieg aberkannt wurde. Aber beim Skifahren muss man alles im großen Ganzen sehen, man kann nicht jedes einzelne Rennen mikroanalysieren. Für mich ist das große Ganze, wie das Skifahren funktioniert und wenn das Skifahren gut ist, ist das das Wichtigste.
Du hast Ski und Schuhe von Fischer - warum hast du dich für diese Firma entschieden? Was ist für dich wichtig, damit du dich zu 100% auf dein Material verlassen kannst? Bist du bei der Präparation/Entwicklung der Ski dabei? Fährst du Fischer-Ski auch in deiner Freizeit, wenn du mit Familie und Freunden Skifahren gehst?
Fischer ist für mich ein wichtiger Grund, warum ich überhaupt Ski fahre. Mein Vater hatte die Skischule und war der Fischer-Vertreter in Griechenland, nur deshalb habe ich mit dem Skifahren angefangen. Und natürlich habe ich auf Fischer angefangen, als ich das erste Mal auf Skiern stand und das hat sich dann bis zu meinen FIS-Jahren, meinen NorEm- und Europacup-Jahren und dem Weltcup fortgesetzt. Bei einer Firma zu sein, der ich vertrauen kann, und auf der anderen Seite, wie sie an meine Fähigkeiten und mein Team glauben, das ist eines der wichtigsten Dinge. Dieses Jahr konnten wir an der Entwicklung der Ski teilhaben, wir haben wirklich gute Arbeit geleistet und einige Schritte nach vorne gemacht. Hoffentlich sieht das die Firma auch so. Und ja, ich bin nie auf etwas anderem als Fischer Ski gefahren.
Verfolgst du andere Sportarten? Was sind deine Hobbys? Und welche Aktivitäten helfen dir, dich zwischen den Rennen zu entspannen?
Ich liebe Sport, alles von Basketball über American Football und Fußball bis hin zu Leichtathletik und Gymnastik, alles, was kompetitiv ist, sehe ich mir gerne an. Ich habe immer gerne selbst Sport gemacht, das ist ein großer Teil meines Lebens. Ich gehe gerne ins Fitnessstudio und trainiere meinen Körper, das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen und wenn alles erledigt ist, spiele ich ein wenig auf der Xbox.